„Deep into that darkness peering, long I stood there. Wondering, fearing, doubting… Dreaming dreams no mortal ever dared to dream before.“
Edgar Allan Poe | The Raven
Dies ist kein Traum.
Es ist Realität.
Wie hat es sich angefühlt? Der erste, unsichere Schritt. Ich erinnere mich. An die Angst und an die Aufregung. Es war spät, die Straßen dunkel. Dann stand ich vor jener unscheinbaren Tür, die mich aus meinem alten Leben in eine neue Welt führen sollte. In das Licht und in die Wärme. Als wäre ich in eine alte Heimat zurückgekehrt.
Ich habe gezögert, aber nicht zu lang. Ich habe gezweifelt, aber nicht zu stark.
Ein Knauf aus Metall. Kalt und glänzend in meiner Hand. Der Widerstand, bevor die Tür sich öffnen lassen wollte. Ein tiefer Atemzug. Der Schritt hindurch. Dann schloss sie sich wieder hinter mir. Hat mich verschluckt und nicht mehr hinausgelassen. Jedenfalls nicht dieselbe Frau, die ich einst gewesen bin.
Ich glaube, ich werde diesen Abend nie vergessen. Er ist der Beginn von allem, was ich heute bin. Vielleicht schreibe ich hier irgendwann einmal darüber. Vielleicht möchte ich die Erinnerung aber auch ruhen lassen. Verschlossen halten. Wie einen alten Schatz, der keinen Wert mehr hat und doch unendlich kostbar bleibt. Für mich. Für immer.
Seither habe ich einige Täume zu träumen gewagt. Aus manchen bin ich bitter erwacht. In manchen habe ich mich verirrt. Manche träume ich noch immer. Doch mittlerweile sind Traum und Realität miteinander verschmolzen zu einem Zauberland, in dem ich jeden Tag erneut staune und zweifle, mich fürchte und mich wundere.
Meistens über mich selbst.
Lust und Leidenschaft
„These violent delights have violent ends. And in their triumph die, like powder and fire, which as they kiss, consume.“
William Shakespeare
Und wenn es so wäre? Wenn ich auf dem Gipfel meiner Lust einfach aufhörte zu existieren? Mich auflöste in einem Feuerwerk der Gefühle? Mich selbst an meiner Leidenschaft verzehren würde? Manchmal bin ich versucht, das zu glauben.
Aber ist es nicht viel mehr so, dass unsere Lust uns nur dann von innen verzehrt, wenn wir ihr nicht nachgeben? Wenn wir ihr nicht erlauben an die Oberfläche und ins Leben zu dringen, ihr Gestalt und Rahmen geben?
Wenn unser Verlangen uns allmählich über die Jahre vergiftet, bis es ganz Besitz von uns zu ergreifen droht. Bis wir nicht mehr anders können.
Fast hätte ich ein solches Leben gelebt. Ich war 32 Jahre alt, als ich mich entschied, das zu ändern. Schnell wurde mir klar, dass ich genau das immer gesucht hatte. Wobei genau das noch eine sehr vage Vorstellung gewesen ist. Doch ich begriff, dass mir das gesellschaftliche Korsett, über das wir Beziehungen und Geschlechter definieren, nie so recht gepasst hatte. Dass die Wirklichkeit viel bunter, viel echter, viel facettenreicher war, als ich jemals geahnt hatte.
Und dafür schreibe ich. Für die Lust, die Sinnlichkeit, die Leidenschaft. Für die Menschen, die spüren, dass ihnen etwas fehlt. Für die, die noch Träumen. Und für die, die schon erwacht sind. Für die Offenheit und ein neues, sexuelles Verständnis. Für eine Gesellschaft, in der es normal ist, so zu leben wie ich.
„Gib dich auf […] gib alle deine Sinne dem Vergnügen hin, möge es der einzige Gott deiner Existenz sein, und nur ihm allein muss ein junges Mädchen alles opfern, und nichts in ihren Augen darf so heilig sein wie das Vergnügen.“
de Sade
Ich bin devot. Das hat mir mein erster richtiger Freund schon gesagt, der deutlich älter gewesen ist als ich. Nur habe ich nie verstanden, dass das etwas mit BDSM zu tun hat. Auch nicht die Ketten und die Peitschen, die er mich hat spüren lassen. Ich war wohl ein wenig naiv. Jedenfalls hatte es noch etwas gedauert, bis ich den Zusammenhang verstand. Fünfzehn Jahre um genau zu sein.
Mir wären vermutlich einige Konflikte erspart geblieben, hätte ich Begriffe für meine Sexualität gehabt. Zum Beispiel, wenn ich beim Sex so tat, als würde mir etwas wehtun und verwundert feststellen musste, dass das meine Partner gar nicht animierte weiterzumachen. Mir doller wehzutun.
Das Schmerz und Lust etwas miteinander zu tun hatten war immer ganz normal für mich. Nur eben nicht für die anderen.
Oft hörte ich, dass ich besonders offen sei. Auch das verstand ich nicht. Es war ja ganz selbstverständlich für mich, dass ich gefallen und Lust bereiten wollte. Es machte mir Spaß. Doch dann wurde mir schnell langweilig. Denn ich bekam nicht das, was ich brauchte.
Schließlich hatte ich drei Jahre lang gar keinen Sex, weil er mich einfach nicht befriedigte. Bis ich mich auf eine Affäre einließ, in der wir ein bisschen experimentierten. Wow.
Da passierte es: Ich spürte unvorstellbare Lust. Lust die mich um den Verstand bringen wollte. Lust, die mich überwältigte, so wie dieser Mann es getan hatte. Ich wollte mehr. Etwas in mir ahnte, dass es nur ein Vorgeschmack gewesen war. Dass sich dieses Gefühl noch steigern ließ. Nicht sehr viel später machte ich mich auf den Weg zu der Bar. Bereit, mich dieser Lust hinzugeben. Ich hatte keine Ahnung, wie intensiv sie wirklich werden konnte.
Stolz und Demut
Für mich sind Stolz und Demut untrennbar miteinander verbunden. Denn meine Demut bekommt nur jemand, der sie verdient hat. Ich diene nicht um des Dienens willen, sondern um des Menschens willen, vor dem ich auf die Knie gehe. Ich unterwerfe mich seiner Intelligenz, seiner Stärke, seinem Einfühlungsvermögen. Ich unterwerfe mich dem Respekt, den er vor mir und meiner Hingabe hat. Dem Leuchten in seinen Augen. Ich unterwerfe mich dem Vertrauen, das ich in ihn habe. Dem Vertrauen, dass er ebenso gut auf mich acht geben kann wie ich selbst. Und dann unterwerfe ich mich absolut. Ich setze keine Grenzen, weil ich Grenzen überschreiten will und weiß, dass ich es mit ihm kann. Dass er mir die Kraft und die Sicherheit gibt, diesen Weg mit ihm zu gehen. Dass ich ihm all das auch wirklich schenken will.