
Meine Welt ist der Schmerz. Ich liebe ihn. Ich hasse ihn. Ich brauche ihn. Manchmal halte ich kaum etwas aus. Manchmal bekomme ich nicht genug. Immer bringt er mich zum Orgasmus. Dabei spiele ich gerne bis an meine Grenzen heran. Oder sogar darüber hinaus. Consensual Non-Con. Keine Vorlieben. Keine Tabus. Kein Stoppwort. Der Moment, in dem ich wirklich will, dass es aufhört. In dem ich anfange zu betteln und keine Reaktion bekomme … Bis ich schließlich meine Niederlage akzeptieren muss und mich dem Schmerz ergebe. Das ist mein BDSM.
„Verrückt“, werden jetzt einige sagen. Und das mag es auch sein. Tatsächlich habe ich nicht nur gute Erfahrungen damit gemacht, keine ist wirklich schief gegangen, keine hat mir wirklich geschadet – aber ich habe viel gelernt und weiß mittlerweile, wie ich damit umgehen kann. Ich habe auch gelernt, wie wichtig Kommunikation ist. Nicht nur im Vorfeld und im Nachhinein, sondern gerade auch während einer Session. Und das ist eine Kommunikation, die fast ganz ohne Worte auskommt:
Gib mir einfach ein gutes Gefühl
Ich liege weinend in seinem Bett. Der Schmerz breitet sich in Wellen in meinem Körper aus. Brennend, bohrend, stechend. Er legt seinen Arm um mich, will mich streicheln. Mir ist es egal. Nein … eigentlich will ich, dass er mich in Ruhe lässt und ich alleine vor mich hinleiden kann.
Dann hört der Schmerz etwas auf. Fast hoffe ich, dass es endlich vorbei ist. Doch meine Hoffnung wird jäh zerstört: Eine neue Welle heiße Lava jagt durch meinen Körper. Heftiger noch als die zuvor. Als wäre ein Feuer zwischen meinen Schenkeln ausgebrochen, das sich langsam durch meinen Körper frisst. Aufwärts, abwärts, seitwärts. Es zerreißt mich. Kein rettender Orgasmus in Sicht. Er hat den Raum verlassen. Ich weiß nicht, wohin und ob es hinter diesen Kissen, in die ich mich gerade presse, überhaupt noch eine Welt gibt. Ich weiß auch nicht, wie lang er weg ist. Jegliches Zeitgefühl verliert sich zwischen den unkontrollierbaren Wellen wilden Schmerzes. Doch plötzlich sitzt er wieder neben mir und liest den Beipackzettel vor. Ich höre etwas von 20 Minuten, aber das ist mir gerade relativ egal. Wenn ich ganz still liege, geht es einigermaßen. Total absurd, denn es ist ja eine Salbe. Das alte, starke Finalgon an Klitt und Schamlippen. Er hat es genauso dosiert, wie das Deep Heat, das wir kennen. Der Idiot. Naja, 20 Minuten schaffe ich wohl…
Als ich wieder zu mir komme, lese ich den Beipackzettel selbst. Fünf bis sechs Stunden hat die scheiß Salbe gewirkt … Trotzdem hat mein ehemaliger Spielpartner mir mit seiner Lüge in dem Moment sehr geholfen. Zwar hätte ich eine Minute von zwei Tagen nicht unterscheiden können. Doch seine Angabe hat mir Mut gemacht, es durchzustehen. Ein kleiner Trick, der ein missglücktes Tunnelspiel zumindest einigermaßen retten konnte. Heute lachen wir darüber. Besonders ich über ihn, weil er es besser hätte wissen müssen. Und ihm ist es peinlich. Zu recht.
Bestenfalls lassen sich solche Situationen nämlich vermeiden. Bei einem Tunnelspiel ist das durch Kommunikation im Vorfeld natürlich nicht möglich. Da lässt sich nur noch Schaden begrenzen. Seine Hilflosigkeit, die ich in meiner eigenen sehr wohl noch wahrgenommen habe, war da nicht besonders ermutigend. Und genau da fängt für mich die Kommunikation während einer Session an. Mein Top muss mir jederzeit das Gefühl geben, die Situation unter Kontrolle zu haben. Auch wenn er das gerade selbst nicht denkt. Gleichzeitig muss ich meinem Top das Gefühl geben, dass ich ihm mitteile, wenn etwas wirklich nicht stimmt. Wenn körperliche oder seelische Schäden drohen. Und das ist für meine Partner und mich immer die Grenze gewesen. Ich weiß nicht, ob ich alles richtig mache. Aber immerhin habe ich für mich einen Weg gefunden, der einigermaßen zu funktionieren scheint.
Genau Zuhören
Keine Session ohne Vertrauen. Die Basis dafür ist Kommunikation. Ich lasse mich nicht fesseln, bevor ich mir nicht sicher bin, ob ich die Kontrolle abgeben kann. Das fängt dabei an, ob er ein Kondom nimmt. Ob er grundlegende Ahnung von Anatomie hat. Ob er weiß, wie er bei Unfällen reagieren muss. Ob er die richtigen Hygienemaßnahmen einhält. Ich bin bei jeder Session wachsam und achte auf genau diese Dinge, bevor ich in die Wehrlosigkeit gehe. Bevor ich mich überhaupt fallenlassen kann. Und dazu gehört auch, ob er meinem Körper zuhört. Ich kann vor Angst schwitzen oder vor Lust. Zittern, weinen, schreien. Jemand, der vernünftig ist, wird sich da immer langsam herantasten. Bis er die Nuancen unterscheiden kann, in denen mein Körper zu ihm spricht. Dazu gehören nicht nur die Reaktionen während einer Session, sondern auch die Gespräche danach. Es ist ein Tanz, in dem wir uns langsam annähern und prüfen können, ob wir die gemeinsam erlebten Situationen richtig eingeschätzt haben. Irgendwann verstehen wir uns blind. Irgendwann ist kein Stoppwort mehr nötig. Dann wird es interessant.
Vertraut sein
Der Schmerz ist heftig. Ich hasse den Strom. Er weiß das und deswegen mag er ihn so sehr. Nackt und gefesselt liege ich vor ihm. Mehrfach habe ich die Knoten in meinem Kampf gegen den Schmerz aufgerissen. Mehrfach hat er sie mit neuen Knoten gesichert. Meine Beine sind eng aneinander gefesselt. Die Hände auf dem Rücken. Die Seile bewegen sich keinen Millimeter mehr, ganz egal wie wild ich mich in ihnen winde. Mein Körper ist von Spuren übersät. Von der Peitsche und der Gerte. Von den Seilen, die tief in mein Fleisch dringen. Kraft habe ich nicht mehr. Ich bettele ihn an, endlich aufzuhören, doch er macht immer weiter. Wieder drückt er die Kontakte des Stromhalsbades gegen meinen Schenkel. „Pause“, flüstere ich „bitte!“ Ein Stoppwort, das ich im Spiel mit zwei befreundeten Pärchen aufgeschnappt habe. Bei den Frauen hat er darauf gehört. Vielleicht ja auch bei mir. Er lächelt böse „Oh nein. Das bestimmst nicht du!“ Dann drückt er den Knopf auf der Fernbedienung und ich schreie. Schreie so laut ich kann, bis ich schließlich zitternd zum Orgasmus komme. Er macht noch ein bisschen weiter. Nicht zu lang und nicht zu doll. Nur so, dass klar ist, wer das Ende dieser Session bestimmt.
Hätte er aufgehört, hätte ich diesen unglaublich guten Orgasmus nicht gehabt. Und es hätte sich irgendwie falsch angefühlt, weil ich Kontrolle bekommen hätte, die ich nicht haben will. Unsere ganze Beziehung hätte darunter leiden können. Doch so haben wir einen sehr intensiven Moment miteinander geteilt. Eine Erfahrung, an die ich mich noch heute gerne erinnere. Mittlerweile weiß ich auch, dass meine Stimme sich ändert, wenn wirklich etwas nicht stimmt. Dann ist es ein bisschen so, als würde ein Außenstehender kurz eingreifen, um einen Hinweis zu geben. Er erkennt das ganz genau. Egal, wie fest ich geknebelt bin. Ich grunze etwas vollkommen Unverständliches. Er fragt „Hände?“ Dann nicke ich und er löst die richtige Fesselung. Danach geht es weiter. Er spürt auch, wenn ich kurz davor bin, Panik zu bekommen. Wenn ich durch den Knebel wirklich keine Luft mehr bekomme und wann ich es mir einbilde. Ich hingegen merke sofort die geringsten Anzeichen an Nervosität bei ihm. Wenn er ein Seil schneller löst als sonst. Trotzdem verliert er nie die Fassung. Trotzdem vermittelt er mir immer das Gefühl, sicher zu sein. Das liebe ich so an ihm. In seiner Nähe kenne ich keine Angst. Selbst, wenn ich Angst vor dem habe, was er mit mir macht… Dieses Grundvertrauen schwingt immer mit.
Wir wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können. Auch in extremen Situationen. Selbst wenn wir mal Fehler machen. Beide. Werde ich zu vorsichtig, mache ich die Situation kaputt. Versuche ich an falscher Stelle stark zu sein, gehe ich ein unnötiges Risiko ein. Hört er auf mich, bekomme ich zu viel Kontrolle. Hört er nicht auf mich, kann etwas schief gehen. Körpersignale, Tonlage, Blicke – All das hilft, eine Situation richtig einzuschätzen.
Und das macht es auch so wundervoll … Ich sehe in seinen Augen, wenn ich ihn errege und er sieht das Gleiche in meinen. Aber auch die Angst und den Schmerz, den er will. Durch diese Kommunikation entsteht für mich erst die Erotik – Praktiken sind mir eigentlich egal. BDSM ist das Spiel zwischen den Köpfen. Ein Gespräch der Lust auf nonverbaler Ebene, in dem sich zwei Menschen sehr, sehr nah kommen können.
Mein Beitrag zur SM-Blogparade | BDSM und Kommunikation
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BDSM – Kommunikation und Social Media
Wie lernt man sich überhaupt kennen und trifft man dabei auch immer den richtigen Ton? Gespräche vor, während und nach einer Session. Tolle Communities, in denen man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann. Auf euch warten ganz unterschiedliche und spannende Perspektiven auf das Thema BDSM und Kommunikation – Von erotischen Geschichten bis hin zu interessanten Sachtexten oder Einblicke in sehr emotionale Momente. Besucht die teilnehmenden Blogs, um mehr zu erfahren!
Die Links zu den Blogs
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Wieder einmal das Wichtigste in einer BDSM-Beziehung klar herausgearbeitet: Vertrauen. Denn Vertrauen ist die Grundlage für alles. Kommunikation ist unendlich wichtig und findet auf so vielen Ebenen statt, aber gerade für den, der sich fallen lassen will, braucht es Vertrauen.
Danke für deinen tollen Beitrag zur Blogparade!
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Ein guter Beitrag zu Risiken von BDSM und wie wichtig es ist sich auch nonverbal zu verstehen.
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